Der Hirschkäfer ist eine stark gefährdete Art; weil seine Lebensräume vernichtet werden. Er wird selten beobachtet zumal in der unmittelbaren Nähe einer Großstadt. Umso mehr verwundert es die Kanuten des ESV Grün-Weiß, dass sie auf ihrem Gelände auftauchen. Oft finden die Paddler hilflose Exemplare auf dem Wasser des Sees treiben. Sie fischen sie behutsam auf und setzen sie zum Trocknen in ihr Boot. Nach ein, zwei Stunden in der warmen Sonne haben sie sich erholt. Zuerst klappen sie ihre harten braunen Deckflügel zur Seite und starten dann mit ihren zarten, fast durchsichtigen Flügeln brummend in den Wald.
Das geschah im Sommer, Hirschkäfer fliegen nämlich von Juni bis August. Außer diesen einzelnen Rettungsaktionen, befassten sich die Sportler zunächst nicht weiter mit diesen Insekten.
Im nächsten Winter war es an der Zeit, den Kompost auf dem Gelände zu richten. Eigentlich war es gar kein richtiger Kompost, sondern eher ein Haufen Rasenschnitt mit ganz vielen holzigen Sträuchern und Ästen. Dabei fanden sich in tieferen Schichten Hunderte von weißlichen Larven in verschiedensten Größen von 1 bis 8 cm. Die Biologin unter den Kanuten unterband sofort weitere Arbeiten und der Kompost durfte nicht mehr gestört werden. Ein kurzer Blick auf Internetfotos klärte, dass der Kompost zufällig eine ideale Kinderstube für Hirschkäfer war und auch die Ursache für ihr häufiges Vorkommen im Umkreis des Geländes. Das vermodernde Holz hatte Hirschkäferweibchen angelockt, darunter ihre Eier zu legen.
Jetzt wurden weitere Informationen über die seltenen Käfer zusammengetragen. Drei bis acht Jahre benötigen die Larven für ihre Entwicklung, um dann sechs bis acht Wochen die Freuden des Lebens über der Erdoberfläche zu genießen. Da ist zum einen die Paarung. Die Männchen folgen den Lockdüften der Weibchen, in der Fachsprache Pheromone. Treffen sich zwei Männchen, so kommt es jedoch zur Auseinandersetzung, bei denen sie ihr „Geweih“ einsetzen, um den Gegner auf den Rücken zu drehen oder vom Baum zu stoßen. Dieses „Geweih“ ist eigentlich sein vergrößerter Oberkiefer. Kauen kann er damit nicht. Seine Nahrung findet der Hirschkäfer an dem zuckerhaltigen Saft an Wunden von Eichenrinde. Manchmal trifft es sich, dass bereits Bakterien sich an dem Eichensaft vergnügt und diesen bereits etwas vergoren haben. Prost Käfer .
Jetzt möchten die Paddler ihre Käfer weiter pflegen und auf ihrem Gelände gedeihen lassen.
Nach dem Vorbild eines Naturschutzgebietes in Thüringen legten sie eine weitere Kinderstube für Hirschkäfer an. Hirschkäferweibchen werden nämlich von dem Duft vermodernden Holzes angelockt. Sie legen die Eier in 20 – 75 cm Tiefe unter dem Holz ab, normalerweise unter Baumstümpfen von Laubbäumen. Die sollten deshalb nach dem Fällen auf keinen Fall gerodet werden.
Zuerst gräbt man eine 30 cm tiefe Grube und platziert darin angemoderte Holzstämme. Vermoderndes Holz war bei den Kanuten ausreichend vorhanden und so konnte das Projekt sofort umgesetzt werden.
Die Zwischenräume werden mit dünneren Ästen ausgefüllt und zum Schluss seitlich mit Erde bedeckt.
Jetzt heißt es drei bis acht Jahre warten und dann entpuppen sich hier die nächsten Generationen von Hirschkäfern.
Wir hoffen, dass nichts dazwischen kommt, denn die Stadt Essen plant bereits seit langer Zeit eine Uferpromenade auf dem Gelände, was das Aus für dieses Kleinbiotop bedeuten würde.
Uwe Schäffer